5.12. Der erste Verlust

Wochen vergingen, die Patenanzahl stieg und die Kälber wurden immer mehr. Am 8. Juni 2020 war mit Mini Emi die letzte Geburt – sie war das letzte Kalb, das künftig hier zur Welt kam. Es war vorbei, die Vermehrung war gestoppt. Der Stier für den Almsommer war “abbestellt” und mittlerweile hatte es sich auch hier herumgesprochen, was wir nun machen wollten.

Es wurde hinter unserem Rücken geschimpft, gelästert und verurteilt. Kaum ein Landwirt konnte verstehen, warum wir diesen Schritt wagten. Direkt zu uns sagte kaum jemand etwas, denn Konfrontationen mieden sie alle. Vereinzelt kamen positive Rückmeldungen, eine Mail hier, eine persönliche Karte mit Spende im Postkasten da. Diese hoben all die negativen Aussagen, die wir über drei Ecken hörten, wieder auf. Für diesen “regionalen” Zuspruch in dieser turbulenten Zeit sind wir sehr dankbar.

Mit Beginn des Sommers im Juni 2020 ging es auf die Alm – ein letztes Mal als Mutterkuhherde. Ein letztes Mal mit Kälbern. Ein letztes Mal das Sommerparadies genießen, dem im Herbst eine Zeit des Abschieds folgt, denn alle konnten nicht hier bleiben. Es gab viele letzte Male, und auch erste Male. Der erste Sommer ohne Stier. Und leider der erste natürliche Tod unter dem Urteil Lebenslänglich.

Es war die letzte Woche des Almsommers, als uns bei der Kontrolle auffiel, dass eine Kuh fehlte. Ihr Kalb war da, doch Frieda nicht. Wir suchten zwei Tage lang das 250 ha große Almgebiet ab, schließlich entdeckten wir den Kadaver ganz oben in einem Kessel. Frieda war abgestürzt und tödlich verwundet worden. Sie war die erste, die als Lebenslängliche aus dem Leben schied, und wir wussten, sie würde nicht die letzte sein. Der Tod gehört zum Leben dazu, und es ist nun unsere Aufgabe und Pflicht, den Tieren ein schönstmögliches Leben bis zu ihrem natürlichen Tod zu bieten.

Frieda bekam in den Bergen ihre Grabstätte und sie lebt in ihrer Tochter Hermine weiter, die letztendlich am Hof bleiben durfte. So war sie auch eine Wegbereiterin und wurde dadurch unvergessen.

Frieda, Hermines Mama